Ein Gespräch mit Doppelweltmeister Tomáš Mrázek

In Competition climbing by Udo Neumann

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Zur Zeit lebt Tomáš mit seiner Freundin Helena Lipenská in Brno. Fast seine gesamte Zeit verbringt er in der Kletterhalle oder am Fels. Wenn noch ein bisschen Freizeit hat, hört er gern Musik oder kümmert sich um hündischen „Familienmitglied“ Jack.

Tomáš über die Klettersaison 2005:

„Im Vorjahr bin ich bei Wettbewerben immer auf dem Treppchen gelandet, aber das Training war grausam.
Dieses Jahr hatte ich andere Vorhaben. Ich wollte mich vorwiegend an die Felsen orientieren und nur auf einzelne Wettkämpfe konzentrieren. Ich hatte keine Lust mich nur auf die Wettkämpfe ähnlich wie im vorigen Jahr vorzubereiten, damit verschwendet man eigentlich nur Zeit. Ich habe mich nur auf die Weltmeisterschaft und Worldgames ausgerichtet. Wenn man den Weltcup gewinnt, interessiert sich dafür fast niemand, geschweige, wenn man fünfter oder sechster wird. Ich wollte an den Felsen klettern, eine schöne Route schaffen. Ich habe das einfach gebraucht um einen klaren Kopf zu bekommen.
Vor der Weltmeisterschaft habe ich mehr als ein Monat nur in der Halle hier in Brno trainiert. Die letzte Woche dann habe ich an der Kletterwand in Innsbruck verbracht. Voriges Jahr habe ich Ähnliches fast vor allen Wettkämpfe gemacht, aber dieses Jahr bin ich lieber ganzen Frühling hinaus zu den Felsen gefahren. Schliesslich war mir aber die Konzentration auf die Weltmeisterschaft sehr wichtig. Für die interessieren viele Menschen, nicht nur Kletteröffentlichkeit. Wenn jemand 9a+ erklettert, ist es zwar schön, aber im Fernsehen wird er nicht sein. Auch der Weltcup ist nicht so populär.
Medienwirksam waren auch die Worldgames, die in Duisburg ungefähr zwei Wochen später als die Weltmeisterschaft stattgefunden haben. Es geht eigentlich um der Olympiade der nichtolympischen Sportarten, die alle vier Jahre stattfinden. Klettern war ersten Mal vertreten, obwohl es sich dieses Jahr schon um siebten Worldgames handelte. Ein guter Wettkampf. Es haben nur acht nominierte Sportler teilgenommen, die zwei Routen klettern sollten. Es hat sehr guten Nachhall gefunden.

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Was noch…
Das Beste an 2005 war für mich, dass wir dann für eineinhalb Monate zum Felsklettern gefahren sind. An den Felsen mache ich mich total frei. Wenn du nur auf die Wettkämpfe fährst, machen sie dich gehetzt und kaputt. Ich verstehe die Leute nicht, die nur von einem Wettkampf zu anderen fahren. Inzwischen gibt es gibt ganz  schön viele solche Leute in der Kletterspitze.
Ich habe gar kein Problem in der Halle in den Öffnungszeiten zu trainieren. Eher die Andere haben die Schwierigkeiten damit. Ich weiß nicht warum, aber es scheint, dass manche Leute mich anders als früher sehen. Ich bin schon für sie wahrscheinlich jemand anders. Ich verstehe nicht warum – ich bin doch immer die selbe Person. Vielleicht denken sie, dass ich hochmütig bin?
Im Ausland ist es besser. Beim Rock Master wollen die Leute die Unterschriften meist von mir und von Linn Hill. Und dort waren alle „Kletterstars“. Es ist wahr, dass dieses Jahr meine Popularität gestiegen ist. Immerhin bin ich zweimaliger Weltmeister, und habe im Vorjahr den Weltcup gewonnen…

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8c on sight?

Die Route heißt Pata Negra, findet sich in Spanien, im Gebiet Rodellar. Es ist ein Kraftausdauerroute, die 35 Meter lang ist, davon 25 Meter Dachkletterei. Klettern – Tropfsteine, Leiste, Akrobatik. Vorher habe ich etwa eineinhalb Jahr Routen auf Onsight geklettert. Ich habe gar nichts eingeübt.
Ich bin mehr schwierige Routen Onsight wie jeder andere geklettert, deshalb denke ich, dass bei mir die Wahrscheinlichkeit 8c zu onsighten einfach sehr hoch ist.
Meiner Meinung nach ist Pata Negra überhaupt die erste 8c Onsight. Die offiziell erste 8c OS  – White zombie – wurde von Yuji Hirayama geklettert, aber er hat im Gebiet einen Monat verbracht, noch dazu mit den Personen, die die Route geklettert haben… er hatte markierte Griffe, und das bedeutet, glaube ich, Flash. Ich denke, dass man heute wieder Begriffe wie Onsight, Flash, RP, PP usw. klären sollte. Manche Leute werden nicht genau die Unterschiede zwischen einzelner Stilen bewusst. Hauptsächlich für die Kletterspitze sollten diese Unterschiede strikt gelten. Für mich ist wirklich Onsight, wenn ich gar nichts weiß und jede, auch die minimale Hilfe fehlt.
Im Frühling (und eigentlich auch im Vorjahr) bin ich meistens 8c so geklettert, dass ich zuerst die Expresschlingen in die Route vorgehängt und die Route ausgebouldert habe. Im zweiten Versuch hab ich sie dann gemacht. Wenn ich 8c auf OS ausprobiert habe, habe ich zwei Drittel der Route geschafft, und auch bei zweitem Versuch bin ich gefallen. Vor Pata Negra hatte ich Onsight maximal drei Routen mit der Bewertung 8c ausprobiert.
Ich kenne Leute, die 8b+ Onsight geklettert sind – einmal, aber sie haben vielleicht 30 Routen versucht. So mache ich das nicht. Im Zweifelsfall gehe ich lieber in etwas Leichteres, weil ich weiss dass ich die Route in ein, zwei Jahren Onsight schaffen werde und das möchte ich mir nicht verbauen. Auf andere Weise hätte ich vielleicht in zwei Jahre nichts mehr zu klettern. Und ich will noch sehr lange klettern…

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Die Zukunft?

Die Kletterleistung ist in letzten drei Jahren mächtig gestiegen. Vor drei Jahren 8b auf Onsight – das war schon die Leistung, nur sehr wenig Personen konnten sich 8b+ rühmen. Heute haben schon viele Leute 8b+ onsight geklettert. Aber ich denke, dass der Grad 8c einen Durchbruch bedeutet, wenn wir über OS sprechen. In langen Routen der Bewertung 8b+ befindet sich kein richtig schwieriger Zug, es geht um der Ausdauer. Aber in 8c gibt es doch dann meistens richtig schwierige Boulderstellen, das ist wesentlich interessanter. Ich interessiere mich jetzt dafür, ob man auch 8c+ OS klettern kann, weil dort wirklich enormer Unterschied ist. Es lockt mich, im OS-Klettern vorwärts zu gehen. Es reizt mich, dass ich nicht weiß, ob ich die Route auf Onsight schaffe oder nicht. Und wenn ich stürze, dann ist alles verloren, weil Onsight nur einen Versuch hat.
Viele Kletterer, die so 8a, 8a+ klettern, kommen oft in ein Gebiet, hängen Expresschlingen in ihr 8a Projekt ein, und sind froh wenn sie es am Ende des Ausflugs schaffen. Ich würde eher statt dieser Route alle 7b Routen onisghten. Das wäre für ihre Entwicklung als Kletterer viel besser. Du verbesserst dich nicht, wenn du meinst, eine erarbeitete 8b sei besser als fünf 7b’s onsight ist.
Wahrscheinlich machen viele das so, weil sie wissen, dass sie „ihre“ 8b (oder was auch immer) mit genügend Fleiss und Härte am Ende schon schaffen werden. Beim onsighten dagegen kannst du dich gar nicht sicher sein, ob du überhaupt etwas klettern wirst. Am Anfang kletterst du vermutlich fast nichts. Aber das ist ja eigentlich die Frage. Warum kletterst du – damit du 8b kletterst oder aus Spaß?

Inzwischen findet man sehr wenig Leute, die zehn, fünfzehn Jahre am Limit klettern. Heutzutage klettern die Leute vielmehr für den Spaß und das Klettern nehmen sie nicht wie einen Lebenstil wahr. Wer früher geklettert ist, hat es auf volle Pulle gemacht, auch wenn die Routen leichter waren.
Aber ich denke, dass Interesse fürs Klettern steigen wird. Viele Menschen beginnen in der Halle und dann fahren zu den Felsen. Einen grossen Boom im Klettern erleben wir gerade in Norwegen, Finnland, Schweden und im ganzen Asien. Ich sehe hauptsächlich Kletterpotential dort, wo Klettern noch nicht ist. Die, die geklettert haben, hören auf und die Andere beginnen.

Für meinen Teil bin ich jetzt erstmal wirklich froh, dass ich jetzt zweimaliger Weltmeister bin, aber jetzt ist für mich das Wichtigste, dass ich klettere, dass ich neue Motivation habe und dass ich nächstes Jahr wieder mehr trainieren und kämpfen will.“

Geburtsjahr: 1982
Körpergrösse: 178 cm
Gewicht: 62 kg
Wohnort: Brno (Brünn)