halfdome

Besser Klettern

In better climbing by Udo Neumann

Für den achten Grad ist kennzeichnend, dass wir es jetzt auch am Fels mit Überhängen oder sogar mit richtiggehenden Dächern zu tun haben können. Neben den bisherigen Themen wie Raumwahrnehmung und der Körperwelle kommen dadurch neue Aspekte ins Spiel, der Deadpoint, die Körperspannung, das Pendeln und das Scheren.

Udo Neumann climbing in Chateauvert

 Das dieser ausladende Überhang „nur“ mit dem oberen achten Grad bewertet ist, liegt natürlich an den großen Griffen und Tritten. Novizen in dieser „Neigung“ haben allerdings Probleme mit der Orientierung und dem Zusammenspiel zwischen Händen, Füssen und der Körperspannung die alles zusammen hält. Der Autor unterwegs in Chateauvert / Frankreich.
 

Körperspannung

Wenn wir die Belastungsrichtungen, die uns Griffe und Tritte anbieten, optimal nutzen wollen, muss unser Körper die Kontaktpunkte am Fels durch eine Spannung miteinander verbinden. Ziehen wir zum Beispiel mit der rechten und der linken Hand zwei Seitgriffe gegeneinander, dann spüren wir diese Spannung zwischen unseren Händen. Die effektive Nutzung des einen Seitgriffs hängt von der Nutzung des anderen ab. Das ist es, was wir unter Körperspannung verstehen: Die Kraft, die wir auf einen Griff oder Tritt bringen, pflanzt sich durch den Körper fort und verbessert die Nutzung der anderen Kontaktpunkte. In steilem Gelände kann der Körperschwerpunkt zum Beispiel durch Ziehen der Füsse an den Tritten näher an die Wand gebracht werden. Die Griffe werden dadurch merklich entlastet, da das Körpergewicht nun nicht mehr nur senkrecht nach unten hängt, sondern die Füsse einen quasi in die Griffe hineinziehen. Voraussetzung für diese Kraftübertragung ist natürlich, dass die Körperspannung nirgendwo im Körper unterbrochen wird. Wir können häufig Kletterer beobachten, die Körperspannung nur zwischen den Händen aufbauen können, und andere, die nur in bestimmten Standardsituationen von einer erlernten Spannung profitieren. Ein guter Kletterer kann jedoch in jeder Position von der optimalen Nutzung jedes Kontaktpunktes profitieren, ohne dass die Spannung zwischen diesen Punkten abreisst oder zusammenbricht.

 christoph driever climbing in Turkey  christoph driever climbing in Turkey
 Kombination von Komplexen Köperspannungsverhältnissen und Belastungrichtungen in typischer Sinterkletterei im achten Grad. Christoph steht nicht nur auf den Tritten, sondern verspannt sich durch die Schrittstellung. Mit der linken Hand zieht er nach rechts unten um so die rechte Hand belasten zu können. Beachte dass die Bilder nicht identisch sind, sondern das linke etwa 2 Sekunden vor dem zweiten gemacht wurde. Auf dem rechten Bild sieht man deutlich wie er bereits seine Körperposition optimal an den Griff in der rechten Hand angepasst hat. Es versteht sich von selbst, dass sich selbst bei einem so kleinen Unterschied sämtliche Spannungsverhältnisse im Körper verändern. Körperspannung ist also keineswegs etwas Statisches, es sei denn du willst auf einem Fleck verharren! — Christoph Driever macht Colonist in Geyikbayiri / Türkei
 

Um zu überprüfen, wie es um deine Körperspannung steht, schlage ich folgenden Test vor:
 testing body tension for climbers

Körperspannungstest

Du hältst deinen Partner an den Fußgelenken in den Schubkarrenstellungen wie abgebildet. Jetzt läßt du, am Anfang vorsichtigerweise nach Ankündigung, einen seiner Fußgelenke los. Dein Partner versucht, das Bein in der Stellung zu halten, also deine fehlende Hand durch seine Körperspannung auszugleichen. Die Qualität mit der das gelingt gibt euch Auskunft über eure Körperspannung. So ganz aus der kalten Jacke sollte man dien Test nicht machen da es doch zu einer plötzlichen, starken Anspannung kommt.
testing body tension of climbers

Körperspannung wird von vielen Kletterern als etwas statisches gesehen. Einige klettern deshalb als man ihnen den Körper mit Schnellbeton gefüllt. Der Gag ist jedoch dass wir genau nur da spannen wo es nötig ist und dass sich diese Muskeln im Laufe einer Bewegung natürlich ändern. Die koordinative Fähigkeit, fließend zwischen An- und Entspannung zu wechseln ist einer der leistungsentscheidensten Faktoren beim Klettern überhaupt. Aus diesem Grund hilft es auch nur bedingt, die Körperspannung mit der Hangwaage zu trainieren.

Besser ist die folgende Übung:
Das ist eine ganz einfache kleine Übung zur Schulung der Körperspannung. Im Grund kannst du sie auch mit den Händen an der Tischkante unter einem großen Tisch machen.
excercise for improving body tension

Körperspannungsübung

1. Häng dich in die Position, eine Hand hält einen am besten abschüssigen Griff, der gegengleiche Fuss zieht an einem Tritt. Das andere Bein und der unbelastete Arm hängt frei. Überprüfe ob du deine Mitte findest, das heisst ohne zu pendeln in dieser Position verharren kannst. Bemerkst du, dass es sinnvoll sein mit dem freien Bein zu scheren um die Pendelbewegung auszugleichen?

2. Jetzt greif mit der freien Hand dazu und tausch die beiden Füße an dem Tritt aus. Variationen ergeben sich nicht aus der Güte des Griffs, der immer groß und leicht abschüssig sein sollte, sondern aus der Steilheit des Geländes, der Güte des Tritts und dem Abstand von Griff und Tritt.

3. Ausserdem kannst du zum wechseln der Füsse mit beiden Händen am Griff heraus und wieder herein schwingen. Diese Variante heisst im Systemtraining „Peter Pan Übung“, da du, wenn du sie gut drauf hast, ziemlich cool mit einem Fuß nach vorne und der Hüftaussenseite zur Wand hin zum Tritt schwingst.

4. Diese Übung wird dir sehr viel bringen wenn du dich in Überhängen und Dächern bis jetzt noch nicht so zuhause gefühlt hast!

Um die nachfolgenden Erläuterungen zur Kletterbewegung im steilen Gelände am eigenen Körper nach zu vollziehen, versuch die Übung doch auch mal in der Paßgängerpostion und du wirst erkennen, dass das Pendeln um die Körperlängsachse bei zunehmender Steilheit ein immer größeres Problem wird.
study of Markus Bock

 
Markus Bock in sehr steilem (und schwierigem!) Gelände. Raffiniert ist der toehook mit dem linken Fuss um sich zu verspannen und das Hochgreifen mit der rechten Hand zu ermöglichen. Das Pendeln mit dem linken Bein (5,6) ermöglicht den Zug in den Untergriff. 
 

Pendeln und Scheren, die Kletterbewegung in steilem Gelände

Ich hatte dir in der letzten Folge ans Herz gelegt, doch mal das Klettern mit nur einem Fuss zu üben. Selbst bei geübten Kletterern kann man nämlich oft beobachten, dass sie sich durchs plazieren des zweiten Fusses fast aus der Wand hebeln.
Um zu erklären warum das klettern mit einem Fuß immer sinnvoller werden kann je steiler das Gelände ist, müssen wir kurz ein paar Eigenarten der Kletterbewegung im steilen Gelände klären.

Frontal

Frontal heisst deshalb so, weil hier Schulter und Hüfte parallel zur Wand stehen. Beim Weitergreifen wird der Haltearm gebeugt. Die frontale Kletterbewegung ist die eher traditionelle Form der Fortbewegung am Fels. Wir müssen auch im steilen Gelände immer dann frontal klettern wenn unsere Füße, wie an löchrigem Felsen frontal fixiert sind und ein Antreten mit der Innen- oder Außenkante nicht möglich ist.

Eingedreht

Sobald die Tritte jedoch positiv sind können wir eingedreht klettern. Da wir beim eingedrehten Klettern in einer Art Schrittstellung stehen können wir, wie beim Kaminklettern, Druck auf die Füße ausüben und uns damit zwischen den Tritten verspannen. In dieser Position zeigt eine Hüftaussenseite zur Wand. Du schraubst dich praktisch hoch, oft ohne das eine Armbeugung nötig wird. Die Bein-Rumpf-Arm- Muskelkette kann günstig zusammenspielen und der Bewegungsablauf in viel größerem Umfang gegenüber der frontalen Bewegung durch die Verschiebung des Schultergürtels unterstützt werden. Die Bewegung wird raumgreifender und ist gerade im steilen Gelände dem frontalen Weitergreifen durch Armbeugung vorzuziehen.

Diagonal

Grundsätzlich ist es günstiger diagonal, also gegengleich zu klettern, sofern der Fels uns dies erlaubt. Bei gleichseitigen Bewegungen dagegen befindet sich der Körperschwerpunkt oft außerhalb der Drehachse und pendelt um sie herum und zwar desto heftiger je steiler das Gelände ist.

Gleichseitigen Bewegungen, so genannte Passgänger

Oft ist eine diagonale Fortbewegung jedoch nicht möglich oder es ist ganz einfach schneller, den Zug gleichseitig zu machen. In diesem Fall musst du gut scheren zu können um das pendeln auszugleichen.

Scheren

Durchs Scheren vermeiden wir die sogenannte offene Tür, nämlich dass es uns aufdreht. Wir bringen den Körperschwerpunkt günstig ins Lot mit der Standfläche oder dem Haltepunkt.
Bei sehr raffinierten Zügen kann das unbelastete Bein frei in der Luft die Bewegung des Körpers ausgleichen, ganz wie der Greif- und Balancierschwanzes eines Klettertiers, oder aber gegen die Wand gepresst sein. Voilà, wir klettern nur mit einem Fuss an der Wand! Wenn du dir die Waagerechte eroberst, tust du das am besten nur mit einem Fuß. Es ist so praktisch unmöglich, sich auf einem Fuss in eine ungünstige Kletterposition zu verstricken, etwas was mit zwei Füssen leider nur zu oft passiert. Du fällst quasi in die richtige Position!

 Klem Loskot bouldering the first ascent of Zero-G

Deadpoint

Das Konzept des Deadpoints beim Klettern stammt ursprünglich aus dem Bouldern und wurde besonders durch die amerikanische Boulderlegende John Gill in seinem Artikel „The Art of Bouldering.“ von 1969 bekannt. Anfang der achtziger Jahre hat dann Wolfgang Güllich das Konzept des Greifens im toten Punkt für das Sportklettern beschrieben.

Am Umkehrpunkt einer Bewegung kommt es zu einem kurzen Moment der Schwerelosigkeit, dem sogenannten toten Punkt, den wir zum Greifen nutzen können. Es versteht sich von selbst, dass der Griff den wir in diesem goldenen Moment greifen, viel kleiner sein kann als der, den wir noch halten können während wir eigentlich schon wieder von der Erde angezogen werden. Idealerweise leiten wir die Bewegung mit der Hüfte ein. Oft können wir die Füsse zum Heranziehen nutzen. Die Zeit, während der die Hüfte wieder in die Ausgangsstellung schnellt, haben wir zum Weitergreifen.
Deadpointen ist keine krasse Verzweiflungstat, sondern wünschenswerte Bewegungsausführung fast jeder Klettertechnik da es auch viele Verletzungen vermeidet. Da sich der nächste Griff wohl nicht während deines Zugs vom Acker machen wird kannst du eigentlich jeden Griff im toten Punkt nehmen, es sei denn du willst beim hochgreifen kurz schütteln oder es ist nicht ganz klar wie und wo der Griff am besten zu halten ist.

Klem Loskot macht ZERO G im Fichtlgebirge. Ein „ziemlich gar nicht so leichter Deadpoint“ wie er sagt…  

Ein-Arm-Traversen

Beim Einarmigen Queren (aber natürlich auch beim hoch klettern!) lernst du zu deadpointen. Im Falle von Querungen kannst du es auch sehr gut alleine trainieren.

koerperwelle
Oben kannst du dir anschauen wie Max es richtig macht. Versuch zuerst, an einer senkrechten Wand mit guten aber flachen Griffen einarmig zu queren. Die andere Hand ist hinter dem Rücken „gefesselt“. Das Kapital der dynamischen Kletterbewegung heißt Schwung. Deine Fähigkeit zum dynamischen Klettern davon ab, wie du mit dem Schwung umgehst, wo her du ihn kriegst, wie du ihn erhälst, und ob du ihn kontrollieren kannst. Neulinge versuchen bei Ein-Arm-Traversen oft nur durch anziehen des Arms den Schwung für den Dynamo gewinnen. Sie bringen ihren Körper nahe an die Wand und versuchen, den nächsten Griff zu schnappen, bevor ihr Körper zu weit von der Wand wegkippt. Die bessere Lösung ergibt sich, wenn wir unseren gesamten Körper für die Bewegung nutzen. Unser Körperschwerpunkt liegt etwa in Körpermitte, oberhalb der Hüfte, weshalb es günstig ist, dort die Bewegung zu initiieren. Wie beim Bogenschießen müssen wir auch hier erst Energie aufbauen, indem wir uns von unserem Ziel entfernen. Als nächstes schnellen wir mit der Hüfte zurück zur Wand und dieser Schwung pflanzt sich in einer Körperwelle zum Zielgriff fort. Versuche bei der Übung, den Zeitspielraum, den du zwischen den Griffen hast, zu vergrößern. Ein solcher Deadpoint sieht dann aus, als würdest du ihn in Zeitlupe machen. Du kannst auch versuchen, in die Hände zu klatschen um zu überprüfen ob deine Schwungbewegung effiezient ist. Ein-Arm-Traversen sind sehr gutes Krafttraining, allerdings auch sehr belastend für deine Schultern und Ellbogen. Fang deshalb den Schwung nie mit dem gestreckten Arm ab, sondern etwas gebeugt, damit dein Gewicht von den Muskeln, und nicht von den Gelenken gehalten wird. Und, natürlich, wechsle zwischen beiden Armen ab!

In der nächsten Folge geht es um den Lebenslauf des Kletterns…

Das Alles und noch viel mehr findest du in LIZENZ ZUM KLETTERN. Als Buch oder / und als DVD!