Das große Klettertraining - Experiment

Das grosse Trainings Experiment, Winter 2006-2007

In better climbing, Klettertraining by Udo Neumann

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Anmerkungen zum Trainingsexperiment mit Udo Neumann

1. Zum Trainingsumfang:

Alle Beteiligten haben von Udo mindestens 5 Trainingseinheiten pro Woche aufgebrummt bekommen. Für Christina, Sandra und mich hat Udo einen Drei-Tagesrhythmus vorgegeben (Klettern-Torso-Ruhe). Die Praxis zeigt, dass wir zwar den Wochenumfang ganz gut einhalten können, aber kaum den vorgegebenen Rhythmus. Dazu kommen einfach zu viele berufliche oder private Termine in die Quere. Dennoch summiert sich so langsam die Zahl der Trainingseinheiten ganz ordentlich. Zur Dauer: Das Torsotraining (machen wir zuhause) dauert mit kurzem Warmlaufen ca. 50 bis 60 Minuten; das Klettertraining zu zweit mit Aufwärmen und allem Drum und Dran ca. 3 Stunden.

Zu unserem bisherigen Umfang: Sandra und ich haben zwischen 7.11. und 22.12., das sind 7 Wochen, insgesamt 7 Torsoeinheiten und 15 Klettereinheiten zustandegebracht. Macht in Summe 22 Einheiten und im Durchschnitt 3 pro Woche. Klettern hat aber irgendwie die Oberhand gewonnen, wir haben dafür eher die Zeit freigeschaufelt.

Beim Klettern bin ich auf 8 volle Sessions (inkl. Dauerklettern) gekommen, der Rest ist mehr oder weniger freies Klettern. Sandra hat zwei Dauerklettereinheiten mehr als ich geschafft.

2. Zu den Übungsformen:

Systembouldern:

Stellt uns in der korrekten Umsetzung vor Probleme. Es ist gar nicht so einfach, in unserer „Haus“halle die richtigen Stellen zu finden. Tausende von Griffe, aber nicht die Unter- oder Seitgrifffolgen, die man sich wünscht. Besitzer einer Heimkletterwand haben hier große Vorteile, weil sich sich die Boulder so schrauben können, wie sie wollen. Wir haben das Systembouldern vorläufig durch ein ca. 30-minütiges mehr oder minder freies Bouldern ersetzt, in das wir zumindest so grob die Motive (Untergriff, Gaston, Peter Pan) einbauen.

Speedklettern:

Macht viel Spaß und erregt fast zuviel Aufsehen. Das Klettern auf Zeit haben wir allerdings etwas abgewandelt, weil es zu zweit fast unmöglich ist, gleichzeitig zu sichern und die Zeit zu nehmen. Also klettern wir eine vorgegebene Strecke (ca. 6 bis 8 m) möglichst schnell. Wichtig: sehr gut aufwärmen vorher, denn die Belastungen können etwas unerwartet auftreten (wenn die Füße mal wegrutschen). Generell lässt sich das Speedklettern verschieden betreiben: wirklich mit Vollgas (dann geraten meist die Abläufe außer Kontrolle bzw. stehen die Füße neben den Tritten) oder kontrolliert, aber zügig. Wir versuchen beides. Problem am Rande: Udo wünscht, dass wir an flachen Griffen speedklettern. Gibt es aber in der Halle nicht so viele. Wir bemühen uns, passende Routen auszusuchen, ist aber nicht so einfach.

Dauerklettern:

Bisher haben wir maximal 30 Minuten gemacht. An einem vollen Abend zu zweit eine Route für eine Stunde zu blockieren, ist ein bisschen, wie bei der Formel 1 gegen die Fahrtrichtung zu fahren, also nicht ganz einfach und irgendwann kracht’s. Der Boulderbereich in unserer Halle ist aber zu steil, um 30 bis 40 Minuten daran zu klettern. Dauerklettern ist eine merkwürdige Belastung. Wir haben bisher Routen bis maximal 6 oder 6+ gewählt, die wir Toprope auf und ab klettern, wobei die Steilheit auf Dauer eher ein Kriterium ist als die Griffgröße: Je steiler, desto platter. Vorsicht: Beim Abklettern im steilen Gelände muss das Seil gelegentlich wieder in die Zwischensicherungen eingehängt werden, sonst droht im Fall eines Sturzes ein weiter Pendler nach außen! Ansonsten ist Dauerklettern wie Jogging für die Arme: Man schnauft und schwitzt, läuft aber – vorausgesetzt die Route ist nicht zu schwer – nicht vollkommen zu. Trotzdem steckt die Ermüdung zwei Tage später noch in den Knochen. Laut Udos Aussagen ist vermutlich unsere Belastung hier zu hoch. Es ist aber unheimlich schwer, die Vorstellung aus der Klettererbirne zu kriegen, dass Klettertraining erst hilft, wenn die Unterarme dick sind. Dennoch ist das eigentlich die Zielrichtung: Die Griffe sollten mit ca. 30 Prozent der Maximalkraft zu halten sein, davon läuft man nicht zu. Verbessert aber die Ausdauer.

Torsotraining:

Die Übungen sind gut und machen Spaß. Hier lässt sich nach nunmehr sechs Einheiten auch schon ein gewisser Fortschritt feststellen. Noch nicht unbedingt beim Klettern (vielleicht beim Bouldern?), aber die Übungen selbst gelingen immer besser. Wir tanzen inzwischen auf dem Ball. Allerdings nicht so oft, wie wir sollten.

Spaßfaktor beim Klettertraining:

Das Klettertraining so mit Konsequenz durchzuziehen, ist nicht ganz einfach. Erstens turnen um einen herum die ganzen Freunde und Bekannten durch schwerere Routen, als wir sie derzeit klettern. Während die also Können und Kraft genießen (und gerne auch demonstrieren), halten wir uns krampfhaft an unsere Übungen. Das fällt manchmal schwer, zumal nicht so ohne weiteres abzusehen ist, ob uns das wirklich im Frühjahr den Erfolg garantiert. Besonders Sandra zweifelt gerne und würde lieber schwerer klettern. Neulich haben wir tatsächlich mal einen Hallenabend wie gewohnt beim „normalen“ Klettern verbracht und uns dabei so platt gefühlt wie selten. Und in den schweren Touren gingen manche Züge kaum noch. Das ließ sie noch mehr zweifeln. Doch wie sagte Udo richtig: Was bringt es, wenn wir Mitte Januar in Topform sind – und dann das Kraftausdauer-Niveau über den langen Winter nicht halten können. Richtig Spaß macht aber das Speedklettern, und auch beim Bouldern fühlen wir uns überraschend o.k. Dauerklettern ist dagegen nicht nur körperlich ermüdend – und es braucht einen sehr geduldigen Sicherer.

3. Allgemeine Gedanken zum Trainingsplan

Das Thema ist auf große Resonanz bei unseren Lesern und im Bekanntenkreis gestoßen. Alle wollen besser klettern und viele finden die Idee, etwas Abwechslung ins Training zu bringen, sehr willkommen. Nur: Man muss es auch machen. Es ist einfacher, damit anzufangen, als man denkt. Aber um so schwieriger, dranzubleiben.

Daneben gab es aber auch Kritik von Bekannten. Trainingsplan und gezieltes Training seien Quatsch und nur etwas für armselig phantasielose Kletterer. Und überhaupt ist es ein Frevel am Abenteuer, wenn man das Klettern nur auf den Leistungsaspekt reduziert. Diese Kritik kann ich teilweise nachvollziehen. Als Jugendlicher blieb ich nach etlichen traurigen Versuchen im Vereinssport schließlich beim Klettern hängen – weil es hier keine Trainer und keine feste Regeln gab, weil es so herrlich anarchisch war, weil keine festen Trainingsstunden und –pläne existierten. Dafür war das Klettern noch relativ gefährlich, gehörten zum Bergsteigen – wie heute noch – gewisse Sicherheitsregeln, so dass wir zwangsläufig viel Eigenverantwortung lernten.

Aber das war ungefähr 1976. Heute ist 2006. Das Klettern hat einen sportlicheren Charakter bekommen, der ebenfalls seinen Reiz hat. Sonst würden wir ja nicht trainieren (und das tun wir ja, weil wir es wollen). Trotzdem war der Gedanke anfangs befremdlich, sich nun dem Diktat eines Schwierigkeitsgrads und den Anleitungen eines anderen – noch dazu aus Köln – unterzuordnen. Nun, solange es Spaß macht, machen wir weiter. Und bisher tut es das noch.

Simon:

Es ist schwierig ein richtiges Fazit meines Wintertrainings zu ziehen. Zum einen war ein vollständiges und konsequentes Durchführen des Trainings durch Krankheit und Lernstreß oft nicht möglich, zum anderen ist wieder einmal deutlich geworden, dass die körperliche Fitness (natürlich) ein extrem wichtiger Faktor zu guten Kletterleistungen ist, jedoch sind gerade in meinem Fall die anderen Faktoren fast wichtiger. Das mein Projekt am Ende nicht klappte, hat weniger mit der fehlenden Fitness zu tun, sondern vielmehr mit fehlender Motivation, dem fehlenden letzten Biss und auch den schlechten (weil warmen) Bedingungen in der letzten Zeit. Eine Pause von ein paar Wochen zeigte dies nur zu deutlich. Obwohl körperlich nach dieser Pause sicherlich nicht sonderlich fit, konnte ich ein anderes altes Projekt von mir auf einmal klettern. Vielleicht bleibt als Fazit vor allem das: Es ist vor allem die Leidenschaft & Motivation, die uns die Dinge hochtreibt und alles andere kommt dann ganz von alleine…

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Christine:

Bisher bin ich zufrieden mit meiner Leistung und merke beim Klettern deutlich, dass ich mehr Ausdauer und auch mehr Kraft habe. Das macht mich in schwierigen Situationen zuversichtlicher und ich kann weiter klettern als zuvor.
Von der Schwierigkeit her bin ich noch nicht ganz bei 7+ angelangt, was aber daran liegt, dass ich den Trainingsplan nicht bis zur letzten Konsequenz durchgeführt habe. Auch war ich seither noch nicht viel draußen unterwegs.
Udo Neumanns Trainingsplan erfordert einfach viel Zeit und Einsatz für eine deutliche Leistungssteigerung. Aber ich denke, dass die Relationen zwischen aufgewandter Zeit und Ergebnis stimmen. Am Ende haben mich jedoch die vielen Plastikgriffe etwas demotiviert und ich hab mich gefragt wozu ich das mache. Aber ich hoffe in der anstehenden Draußensaison bekomme ich dafür die Antwort.
Die Trainingsmethoden haben mich überzeugt und ich werde sie auch weiter fortführen, um mich zu verbessern. Sie sind abwechslungsreich, durchföhrbar und auch die Pausen machen trainingsmethodisch Sinn. Systembouldern und Ausdauerklettern waren meine Favoriten, wobei  ich versucht habe die gymnastischen Ausgleichsübungen för eine gesunde Muskulatur nicht zu vernachlässigen. Schade, dass der Faktor Psyche kaum eine Rolle gespielt hat. Der ist nämlich für mein Kletterkönnen ziemlich ausschlaggebend.
Die grinsende 7+ im Vorstieg hab ich auf Ende des Sommers verschoben, wenn sie dann auch wirklich jemand eingehängt haben will.

Sandra:

Jemandem wie mir, der von Natur aus ungern im Rampenlicht steht, kann ich nicht empfehlen, an einem solchen öffentlichen Experiment teilzunehmen. Nie zuvor haben mich so viele Freunde, Bekannte und total Fremde angesprochen, um mir ihre Meinung zu Ńdem Trainingsplan“ mitzuteilen. Die reichte von Begeisterung bis zur Kritik des Plans, vom Wunsch nach Trainingsdetails, falls ein Erfolg zu vermelden wäre (kein Druck, natürlich!), bis zum Hinweis, dass es sowieso alles eine Frage des Kopfes ist.
Bisher bin ich nie einem Trainingsplan gefolgt, sondern bin im Winter in die Halle gegangen und geklettert, bis die Arme müde waren und ich mich zu einem wohlverdienten Bier verabschieden konnte. Als ich nun Udos Plan folgte, fühlte ich mich wie der sehr ernsthafte Kletterer (SEK), den Fiona Lloyd unlängst hier beschrieb. Leider werden auch SEKs krank, so dass ich im Februar und den größten Teil des März jedes richtige Training einstellen musste. Ich verabschiedete mich innerlich von blödem Projekt“.
Einerseits wurde dann meine Urlaubswoche an Ostern ruiniert von „dem blöden Projekt“, wie es am Ende hieß, weil es unsere gesamte Energie und Zeit beanspruchte.  Wie mir berichtet wurde, ist das aber, was ernsthafte Kletterer tun. Ich bin überzeugt, dass unsere kleingriffigen Boulderzirkel sehr effektiv waren, nur durch sie konnte ich das Projekt überhaupt ernsthaft versuchen. Ralph machte es spannend, indem er bis zum letzten Moment wartete, ehe er die Route schaffte zu meiner großen Abscheu. Andererseits kann ich es kaum erwarten, Udos Plan endlich richtig folgen zu können und das blöde Projekt im nächsten Urlaub noch einmal zu probieren.

Ralph:

Neumann lügt nicht. Nachdem ich am letzten Tag des Osterurlaubs das eine Woche lang hart umkämpfte Projekt schließlich punkten konnte, kann mein Fazit ja nicht anders lauten. Das Training hat auf jeden Fall Wirkung gezeigt. Zwar war auch ich mal erkältet im Februar und habe seit dem neuen Jahr schätzungsweise nur 50 Prozent dessen absolviert, was uns Udo insgesamt aufgegeben hatte (mit Torso- und Ausgleichstraining), doch es hat gereicht. Wie Sandra auch schreibe ich das primär  den Boulderzirkeln zu, die wir in Schwierigkeit und Art der Züge wohl richtig gewählt hatten. Jedenfalls hatte ich ausreichend Maximalkraft und Ausdauer, die Crux von Meme pas mal dieses Mal gleich am ersten Tag unter Kontrolle zu bringen obwohl ich sie erst 20 mal falsch probierte.
Ob nun nur Udos Trainingsplan den Erfolg brachte oder auch die verbissene Projektarbeit (die man wirklich so nennen muss) in der Woche ab Ostern, sei dahingestellt. Auf jeden Fall hat uns Udo um Trainingsmethoden und -einsichten bereichert, die wir auch künftig nutzen werden. Im wesentlichen waren das die Periodisierung (z.B. November und Dezember etwas langsamer tun, Januar Übergangszeit, ab Februar intensives Boulder- und Klettertraining) und die neuen Trainingsformen (Speedklettern, Dauerklettern, Boulderzirkel, Systembouldern, Torsotraining, Ausgleichstraining mit Teraband). Für mich hat sich damit mein zweites ursprünglich angegebenes Ziel (nicht das Projekt!) erfüllt: Ich bin mit einem unwesentlich größeren Aufwand gegenüber früheren Wintern merklich stärker ins Frühjahr gestartet. Dafür danke ich meinem Trainer.